Festivalarchiv 2006 bis 2018

Einführungsrede zu Sabine Kuegler am 9. Mai 2008 in Daun-Boverath

Einführung von Dr. Josef Zierden

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

exotischer und abenteuerlicher kann eine Lebensgeschichte kaum sein als die von Sabine Kuegler: aufgewachsen in der Wildnis, fernab der Zivilisation - im tiefsten Dschungel von West-Papua, Neuguinea, bei einem Eingeborenenstamm im „Verlorenen Tal“. Ein fast archaisches Leben in tiefster Steinzeit, in enger Verbundenheit mit der Natur.
Ein Kindheitsparadies in scheinbar grenzenloser Freiheit, überreich an Geheimnissen und Abenteuern: wenn man den ganzen Tag draußen spielen kann, sich Lehmballschlachten liefert an versteckten Dschungelplätzen, wenn man schwimmen gehen und auf riesige Urwaldbäume klettern kann. Wenn man mit Pfeilen Giftspinnen schießt, ohne Streichholz Feuer macht, wenn man gegrillte Insekten verzehrt statt Pommes oder geröstete Fledermausflügel statt Kaugummi.
An Kiplings legendäres „Dschungelbuch“ erinnert das zuweilen mit der Idee vom Dschungel als einem Paradies auf Erden - und einer schönen und glücklichen Gegenwelt zur materialistischen und egostischen und immerzu lärmend-hektischen Zivilisation. Und wenn die kleine Sabine und ihr Bruder Christian sich mit dicken, langen Lianen von Baumriesen zu Baumriesen schwingen, dann schwingen in der Phantasie des Lesers immer auch die legendären Bücher ihres seelenverwandten „Tarzan“ mit und deren kulturpessimistischer Gegensatz von Natur und Zivilisation. Ihre Wunschvorstellung einer unverdorbenen, ursprünglichen, naturnah lebenden Menschheit.
Freilich: Das Dschungelparadies wird bei Sabine Kuegler immer auch deutlich als Ort brutalen Überlebenskampfs im Alltag, zuweilen als Hölle: wenn Krieg und Hass Menschenleben zerstören,
wenn Blutrache eine Spirale des Tötens in Gang setzt oder wenn bei dem einst kannibalischen Volk der Fayu jedes Vergehen brutal mit dem Tode bestraft wird.
Und dennoch: die Zeit als „Dschungelkind“ war wohl Sabine Kueglers glücklichste Zeit. Was uns denkbar fremd anmutet, war ihr innerste Heimat. Was uns vertraut ist, die westliche Zivilisation, war und wurde ihr fremder denn je, dunkel, bedrohlich.
Womit bei dem Wechsel in ein Schweizer Internat 1989 der „Kulturschock“ vorprogrammiert war, die Zerrissenheit zwischen zwei Welten, zwei Zeitaltern, zwischen zwei Kulturen. Deutsche Staatsbürgerin sei sie und dennoch ein „Dschungelkind“, denn immer werde sie ein Teil des Dschungels sein, wie der Dschungel immer ein Teil von ihr.
So lässt Sabine Kuegler ihr erstes Buch „Dschungelkind“ ausklingen, in dem sie, die rastlose Vagabundin, sehnsuchtsvoll ihren Wurzeln im grünen Paradies von West-Papua nachspürt und zugleich der westlichen Zivilisation kritisch den Spiegel vorhält.
Mit ihrem Buch „Dschungelkind“ jedenfalls wurde Sabine Kuegler 2005 rasch bekannt. Monatelang führte die Geschichte vom Mädchen, das aus der Steinzeit kam, die Bestsellerlisten von „Spiegel“ und „Focus“ an, als Hardcover wie als Taschenbuch. Meterhoch stapelten sich ihre Bücher in den Buchhandlungen, und Lesungstermine wie Talkshowtermine häuften und ballten sich in ihrem Kalender. In 21 Sprachen übersetzt, wurde „Dschungelkind“ ein Weltbestseller.
Dass ihr Dschungelparadies bedroht ist, von multinationalen Konzernen, die auf der Jagd nach Bodenschätzen Lebensgrundlagen zerstören,
von indonesischem Militär und indonesischer Polizei, die in der brutalen Niederknüppelung jeglicher Opposition nicht vor Massenverhaftungen, Vergewaltung, Folter und Mord zurückschrecken - das haben wir Sabine Kueglers zweitem Buch „Ruf des Dschungels“ entnehmen müssen. Eine engagierte, ja kämpferische Sabine Kuegler präsentiert sich da, die ihre Lebensaufgabe gefunden hat: mit ihrer Prominenz für ihre bedrohte Urwaldheimat und ihre Menschen zu kämpfen, die ihr „so eine schöne Kindheit und soviel Glück gegeben“ haben, wie sie in einem Interview mit dem ZDF einmal geäußert hat.
Nicht weniger kämpferisch setzt sie sich in ihrem neuen Buch „Gebt den Frauen das Geld“ für eine nachhaltige Überwindung der Armut weltweit ein. Ihre Titel-Forderung: „Gebt den Frauen das Geld! Und sie werden die Welt verändern.“
Herzlich willkommen beim 8. Eifel-Literatur-Festival 2008 - herzlich willkommen im Vulkaneifelkreis, ehemals Kreis Daun: das „Dschungelkind“ Sabine Kuegler.