Festivalarchiv 2006 bis 2018

Iris Berben am 31.05.2008 in Prüm

Einführungsrede von Dr. Josef Zierden, Eifel Literatur Festival

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

wer Iris Berben vorstellen möchte, ihr Leben, ihr filmisches Werk, ihr soziales Engagement, ihre Auszeichnungen - der kommt an Superlativen nicht vorbei.
Eine der „bekanntesten“, „beliebtesten“ und „erfolgreichsten“, eine der „besten“ und „profiliertesten Schauspielerinnen“ Deutschlands sei sie, so lesen wir allerorten.
Und: eine der „schönsten“ und „erotischsten“ dazu.
In Detmold geboren, in Hamburg aufgewachsen, hatte sie ihren - wenn auch inoffiziellen - ersten Fernsehauftritt 1967 beim NDR. Als eines der Blumenkinder von Hamburg war sie in Großeinstellung zu sehen. Flower-Power an der Elbe. Im studentenbewegten Jahr 1968 gab sie ihr Kinodebüt im Film „Detektive“. Ein Kinofilm über Jugendliche, die im Verbrechen den geeigneten Weg sehen, an Geld zu kommen. Eine der Darstellerinnen nannte sich Chrissie Mahlberg. Bekannt wurde sie später unter ihrem richtigen Namen „Uschi Obermeier“, eine sehr vorzeigbare Ikone der 68er. Vierzig Jahre später ist die Filmografie von Iris Berben ein Fluss ohne Ufer, ebenso die Liste ihrer Auszeichnungen - selbst wenn man nur eine Auswahl notiert. In mehr als 300 Kino- und Fernsehfilmen hat sie mitgespielt.
Ihren Durchbruch erzielte sie mit Comedy: An der Seite von Diether Krebs brachte sie in der ARD-Reihe „Sketchup“ (1985) Millionen Fernsehzuschauer zum Lachen. Dabei stellte sie ihre Wandlungsfähigkeit und Vielseitigkeit und in zahllosen Masken auch eine Menge Mut zur Hässlichkeit unter Beweis. Mit der Familien-Saga „Das Erbe der Guldenburgs“ (ZDF 1986 - 90), einer der erfolgreichsten Serien der deutschen Fernsehgeschichte, konnte sie ihre Popularität noch steigern. Ihre bekannteste Fernsehfigur entwickelte sie vor über 10 Jahren mit ihrem Lieblings-Regisseur Carlo Rola und ihrem Sohn Oliver: die Berliner Kommissarin „Rosa Roth“ - eine der erfolgreichsten Krimi-Serien des deutschen Fernsehens. Mit der mutigen und neugierigen, zuweilen kratzbürstigen, aber auch sensiblen Rosa setzte sie Maßstäbe für alle Ermittlerinnen, die nach ihr auf den Bildschirm kamen.
Für weitere Quotenrekorde sorgte Iris Berben mit den Dreiteilern „Die Patriarchin“ (ZDF 2004) und „Afrika, mon amour“ (ZDF 2006).
Wer in diesen Tagen Iris Berben auf dem Bildschirm erleben wollte, konnte und kann das reichlich tun: Als Patriarchin Nina Vandenberg aus einer Hamburger Kaffeeröster-Dynastie war sie seit letzten Sonntag im ZDF zu sehen. Und als Rosa Roth gerade jetzt, während ich spreche, im ZDF - in der Folge „Im Namen des Vaters“ aus dem Jahre 2005. Die Leiche einer jungen Frau, der als vermisst gemeldeten Elisabeth Scheck, dürfte gerade eben an einem See am Rande Berlins gefunden sein. Und vermutlich ist Rosa Roth in diesem Redemoment schon unterwegs zum letzten Liebhaber Elisabeths, dem impulsiven Ex-Journalisten und Taxifahrer Max Robertsen, der wegen seine Brutalität längst aktenkundig geworden ist.
Und schon lesen wir von Dreharbeiten zu der Kino-Koproduktion „Es kommt der Tag“, die erst in dieser Woche zu Ende gegangen sind. Iris Berben schlüpft da in die Rolle einer ehemaligen Terroristin, deren Vergangenheit sie nach 40 Jahren einholt. Einmal mehr Iris Berben und die 68er - die sie in Hamburg schon bei Blumenkindern und Demos miterlebt hatte. Ende 2008 schließlich wird die hochkarätige Verfilmung der „Buddenbrooks“ in die Kinos, des Romans, für den Thomas Mann den Literaturnobelpreis erhalten hat - mit ihr, Armin Mueller-Stahl und Jessica Schwartz in den Hauptrollen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das alles ist - zwischen Kunst und Unterhaltung - die Iris Berben im Scheinwerferlicht der Fernseh- und Filmkameras, der großen Fernsehgalas zu „Goldene Kamera“, „Bambi“ oder „Romy“ (alle Auszeichnungen bereits mehrfach erhalten), zuweilen sogar der Klatschspalten der Boulevardpresse.
Daneben gibt es die vielleicht weniger bekannte Iris Berben, die sich gesellschaftlich engagiert: für Demokratie und Toleranz, gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus, für das Existenzrecht Israels und deutsch-jüdische Verständigung Jahrzehnte nach dem Holocaust.
Die auch schon mal in die kleine Gemeinde Pretzien in Sachsen-Anhalt reist, um im Dorfgemeinschaftshaus aus dem „Tagebuch der Anne Frank“ zu lesen - das Rechtsradikale dort noch Monate zuvor bei einer Sonnwendfeier mit der Bemerkung „Alles Lug und Trug“ dem Feuer übergeben hatten, während Bürgermeister und rund 80 Festbesucher tatenlos zusahen.
Ein Engagement, das mit dem Bundesverdienstkreuz und dem Leo-Baeck-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland ausgezeichnet wurde.
Mit ihrem Engagement gegen den Antisemitismus verbunden ist ihr Engagement für das besondere Hörbuch. Ihre Hörbuch-Karriere hat Frau Berben erst spät gestartet: 2001 - mit der Lesung der zeitgleichen Tagebuch-Aufzeichnungen von Anne Frank und Joseph Goebbels, die sie in mehr als 40 Theatern aufgeführt. Bis dahin hatte sie alle Anfragen für Hörbücher ignoriert, auch im Glauben, dafür kein ausgeprägtes Talent zu haben. Seit der Tagebuch-Produktion ist sie fasziniert davon, mit der Stimme etwas „Visuelles“ für den Hörer zu schaffen.
Mit großem Erfolg - so hat sie für Ihre Lesung von „Bonjour Tristesse“ in bekannten Brigitte-Edition „Starke Stimmen. Starke Frauen lesen ausgewählte Literatur“ die Goldene Schallplatte - sie hören richtig - die „Goldene Schallplatte“ für mehr als 150.000 verkaufte Hörbücher erhalten.
Berbens Hauptinteresse auch bei Hörbücher gilt in erster Linie der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus: ob sie Gedichte von Selma Meerbaum Eisinger liest oder alte jüdische Geschichten, Anna Gmeyners Roman „Manja“ oder Minka Pradelskis Roman „und da kam rau Kugelmann“. Da erweckt Iris Berben allein durch ihre Stimme jüdische Gemeinden, jüdische Welten zu neuem Leben, die im Holocaust untergegangen sind. Oder sie spürt der Entstehung des Nationalsozialismus und dem Phänomen des kollektiven Wegsehens.
Mit der Lesung aus Alexander Granachs autobiographischem Roman „Da geht ein Mensch“ am heutigen Abend lässt sie den spannenden Lebensweg eines Schauspielerkollegen wiedererstehen, der sich aus der galizischen Heimat bis nach Berlin, ja bis nach Hollywood durchgekämpft hat.
Einmal mehr nutzt Iris Berben ihre starke Stimme, ihre Prominenz, um einen großen jüdischen Erzähler dem Vergessen zu entreißen, um mit uns einzutauchen in die untergegangene Welt des ostjüdischen Schtetls - und immer: um Brücken der Toleranz zu bauen.
Eine Lesung gegen das Vergessen, gegen das Verdrängen, gegen das Wegsehen.
Herzlich willkommen beim 8. Eifel-Literatur-Festival 2008, in der Aula der Wandalbert-Hauptschule Prüm - herzlich willkommen Iris Berben.