Festivalarchiv 2006 bis 2018

Einführungsrede zu Corinne Hofmann

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Die Liebe als Leidenschaft, die gelebt werden muss.
Wer von uns wäre bereit, der großen Liebe ins Buschland von Kenia zu folgen?
Ein Leben in europäischem Komfort aufzugeben für ein Leben in Afrika - zwischen Kuhdung, Hitze und der Suche nach Wasser. Dort jahrelang gegen Hunger, Durst und tödliche Krankheiten zu kämpfen?
Alles aufzugeben für einen völlig fremden Menschen einer völlig anderen Kultur, der nie eine Schule besucht hat, der nie lesen und schreiben gelernt hat, der kaum Englisch spricht und der mit den Sitten und Bräuchen in Europa überhaupt nicht vertraut ist.
Man muss stark, man muss mutig, man muss vielleicht auch etwas abenteuerlustig und etwas „verrückt“ sein, um den Traum vom großen Glück und von der großen Liebe in Afrika so radikal zu verwirklichen, wie es Corinne Hofmann getan hat.
Sie war 26 Jahre alt, als sie auf der „Schicksalsfähre“ bei Mombasa ihren schwarzen „Halbgott“ sah: so hochgewachsen, so exotisch schön, wie sie noch nie einen Mann gesehen hatte. Nur mit einem kurzen, roten Hüfttuch bekleidet, Perlen und Perlmutt auf der Stirn, die langen roten Haare zu feinen Zöpfchen geflochten, ebenmäßig schön das Gesicht, mit stolzem Blick und sehnigem Muskelbau. Wie ein Blitzschlag traf sie die Begegnung, ein Blitzschlag, der ihre bisherige Beziehung zu einem Schweizer zerstörte und sie in die Arme eines stolzen und schönen Massaikriegers aus dem Samburuland, aus Barsaloi trieb. 1986 ist das gewesen, 1987 ist sie ausgewandert in ihre neue, fremde Welt.
Millionen von Menschen in aller Welt wissen, wie es weiterging: wissen es aus dem Buch „Die weiße Massai“, 1998 erschienen, wissen es aus dem gleichnamigen Film.
Mit 3 Millionen Auflage ist das Buch, inzwischen in 20 Weltsprachen übersetzt, zu einem grandiosen internationalen Bestseller avanciert, mit zwei Millionen Besuchern seit Herbst 2005 der Film zu einem großen Kinoereignis.
Am letzten Wochenende ist er noch einmal von dieser Leinwand in Hillesheim geflimmert, mit Nina Hoss in der Hauptrolle, gedreht in Kenia:
die Geschichte einer großen Liebe zwischen zwei Kulturen, die - von Misstrauen und Eifersucht immer mehr zersetzt - in fast vier Jahren vom Himmel auf Erden zur Hölle wurde. Eine große Romanze nicht nur, sondern zunehmend auch ein Überlebenskampf bis an die Grenze des Todes, wie Corinne Hofmann im 2. Buch „Zurück aus Afrika“ ernüchtert bilanziert.
Vier Jahre Afrika voller Erotik und Exotik, faszinierend durch die legendäre Schönheit und Natürlichkeit dieses Landes und ihrer Bewohner.
Ernüchternd da, wo es um die kulturellen Gegensätze geht im Aufeinanderprallen zweier Welten und dem vergeblichen Versuch, eine einzige gemeinsame Welt aufzubauen.
Nichts von den Wertekonflikten zwischen vollkommen unterschiedlichen Kulturen wird verschwiegen, wenn wir vom Samburuland erfahren
- dass die Bedürfnisse und der Wille einer Frau
dort nichts wert sind,
- dass alles, was eine Frau besitzt, ihrem Mann gehört,
- dass Frauen selbst im Besitz ihres Mannes sind,
- dass Männer Frauen in der Öffentlichkeit nicht
berühren dürfen,
- dass die grausame, verstümmelnde Prozedur der Beschneidung junger Mädchen immer noch zur Vorbereitung auf die Ehe dient, selbst in Familien mit Schulbildung und verantwortlichen Positionen in der kenianischen Gesellschaft,
- dass Sexualität nur der Fortpflanzung dient und
allenfalls der männlichen Befriedigung des Mannes,
dass bei den Samburu weder geküsst noch
gestreichelt wird, dass sie einen Orgasmus der Frau
gar nicht kennen.
So ist ihre Ehe mit Lketinga eine große Ausnahme gewesen, denn Liebesheirat gibt es normalerweise nicht bei den Samburu.
Corinne Hofmanns Sehnsucht nach Afrika ist geblieben, also auch ihr Hin- und Hergerissensein zwischen den Kontinenten, und damit immer neu das erfrischende Wechselbad der Sichtweisen bei immer neuen Aufbrüchen und Abschieden: mit europäischen Augen hat sie Afrika gesehen, mit afrikanisch geschärften Blick den europäischen Alltag und sie hat auch Kenia einst und heute kritisch beobachten können, bei ihrem „Wiedersehen in Barsaloi“, dem ihr drittes, ihr aktuelles Buch gewidmet ist, erschienen 2005 und ebenso Stammgast auf den Bestseller-Listen wie seine beiden Vorgänger.
Auch wenn ihre Liebe nicht überdauert hat, auch wenn sie nicht mehr in Afrika leben könnte, bereut hat sie die Liebe zu einem Samburu-Krieger in Kenia niemals. Mit den Worten Corinne Hofmanns in „Zurück aus Afrika“: „Ich hatte das Privileg, an einer Kultur, die es in dieser Form wahrscheinlich nicht mehr lange geben wird, teilhaben und eine große Liebe erleben zu dürfen. Wenn ich dieser inneren Stimme nicht gefolgt wäre, hätte ich mein ganzes Leben das Gefühl gehabt, etwas für mich Entscheidendes und Wichtiges veräumt zu haben. Und es gäbe nicht meine über alle geliebte Tochter Napirai!“
Corinne Hofmann, in aller Welt bekannt als „Die weiße Massai“: Sie hatte eine Liebe in Afrika, im Norden Kenias, in Barsaloi. Geblieben ist die respektvoll-herzliche Verbindung zu ihrer wunderbaren afrikanischen Familie und den Einwohnern von Barsaloi - diesseits und jenseits von Afrika.
Wie sie 14 Jahre nach ihrer Flucht erstmals wieder mit ihrem ehemaligen Mann Lketinga zusammentraf, mit seinem Bruder James und natürlich mit Mama, dieses „Wiedersehen in Barsaloi“ ist Thema ihres neuen, ihres dritten Buchs, ist Thema des heutigen Abends in Eifel-Film-Bühne in Hillesheim.
Herzlich willkommen beim 6. Eifel-Literatur-Festival 2006, erstmals im Landkreis Daun - direkt aus der Schweiz angereist, vom Luganer See: herzlich willkommen die „weiße Massai“ Corinne Hofmann.