Festivalarchiv 2006 bis 2018

Einführungsrede zu Cornelia Scheel und Hella von Sinnen am 17. August 2018 in Daun

Von Dr. Josef Zierden

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Dr. Josef Zierden„Scheel, Mildred: Röntgenfachärztin, * Köln 31.12.1932, + ebd. 13.5. 1985; ab 1968 verheiratet mit dem Politiker Scheel, Walter; Initiatorin und Vorstands-Mitgl. (ab 1979 Präsidentin) der 1974 gegründeten „Dt. Krebshilfe e.V.“. So nüchtern und knapp und dazu mit einem falschen Geburtsjahr bilanziert die Enzyklopädie „Brockhaus“ 2006, in ihrer letzten Ausgabe überhaupt, das Leben einer der einflussreichsten Frauen der deutschen Nachkriegszeit.

Der Ehefrau des deutschen Außenministers und späteren Bundespräsidenten Walter Scheel.

Das Leben der First Lady und Gründerin der Deutschen Krebshilfe. Das „Leben einer Jahrhundertfrau mit einer Jahrhundert-Idee“, wie es der ehemalige WDR-Intendant Fritz Pleitgen einmal ausgedrückt hat.

Ungleich anschaulicher und eindringlicher und auch korrekter als die briefmarkengroße Notiz im „Brockhaus“ bringen uns die persönlichen Erinnerungen von Cornelia Scheel die ungewöhnliche Persönlichkeit von Mildred Scheel nahe.

In ihrem Buch „Mildred Scheel. Erinnerungen an meine Mutter“, in dem die Tochter „ihr Herz öffnet", „um der Mutter ein Denkmal zwischen zwei Buchdeckeln“ zu setzen, wie es im Vorwort heißt.

Das Buch ist eine einzige große Erinnerungsreise von Cornelia Scheel in die Vergangenheit: vor allem ihrer Mutter, die von 1969 bis zu ihrem Tod 1985 mit dem FDP-Politiker Walter Scheel verheiratet war - Außenminister unter Bundeskanzler Willy Brandt von 1969 bis 1974 und schließlich der vierte Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland von 1974 bis 1979. Er war einer der wichtigsten Köpfe der Entspannungspolitik zwischen Ost und West. Vielen ist er in Erinnerung geblieben als Interpret des Volkslieds „Hoch auf dem Gelben Wagen“ des Jahres 1973, das er zugunsten der ZDF-Aktion Sorgenkind (heute „Aktion Mensch“) gesungen und viele hunderttausend Mal verkauft hat.

Womit das Buch auch eine Reise in wichtige Jahre bundesdeutscher Geschichte wird - geschildert aus der Schlüsselloch-Perspektive der Tochter, die zuhause war nicht zuletzt im Amts- und Wohnsitz des Bundespräsidenten, in der Villa-Hammerschmidt, dem „Weißen Haus“ der Bonner Republik. Wo prominente Politiknachbarn wie die Bundeskanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt ein- und ausgingen, wo Cornelia Scheel den geliebten Schauspieler Heinz Rühmann persönlich kennenlernen konnte.

Das alles erinnert und auf Reisen quer durch die Republik recherchiert, um ihre Mutter Mildred Scheel zu charakterisieren - als eine außergewöhnliche Frau.

Als eine starke Frau schon als alleinerziehende Ärztin in den 1960er Jahren; als eine leidenschaftliche Medizinerin, die schon als Kind Menschen helfen wollte - und sei es zunächst mit Operationen an ihren Puppen und am Hauspersonal.

Erinnert wird sie als eine unkonventionelle First Lady, die zum Schrecken des Bonner Protokolls wurde - weil sie nicht gewillt war, zu tun, was man von ihr wollte - ob per Protokoll oder Etikette oder Modediktat.

Und die nicht gewillt war, sich auf die Rolle als Politikergattin zu beschränken.

Die emanzipiert war und vielleicht feministisch angehaucht, als diese Wörter noch kaum im Gebrauch waren.

Als Gattin des Bundespräsidenten gründete sie mit der Deutschen Krebshilfe im Jahre 1974 eine bis heute mächtig wirksame Bürgerbewegung, um die tödliche Geißel Krebs aus der Tabuzone zu holen und um Forschung, Aufklärung und ärztliche Behandlung, Vorsorge wie Nachsorge, voranzubringen.

Es ist die besondere Tragik ihres Lebens, dass ausgerechnet Mildred Scheel einer schweren Krebserkrankung erlegen ist, im 54. Lebensjahr.

Die Diagnose im Juli 1983 und ihr Leiden und ihr schließliches Sterben im Mai 1985 bilden den Rahmen im Aufbau dieses Buches.

Wobei dem Todeskampf der Mildred Scheel in ergreifender Eindringlichkeit ein sehr großer Raum gewidmet ist - ein Todeskampf, von dem Öffentlichkeit gar nichts wissen sollte, um Ihre Arbeit für die Krebshilfe nicht zu gefährden.

Der Erfolgsgeschichte der Deutschen Krebshilfe hat ihr allzu früher Krebstod im Alter von 52 Jahren keinen Abbruch getan. Die Deutsche Krebshilfe ist eine Erfolgsgeschichte geblieben, bis heute. Und daher wird sie als „viertes Kind“ der Mildred Scheel am Ende des Buches eigens gewürdigt, vom Vorstandsvorsitzenden Gerd Nettekoven - den Mildred Scheel noch persönlich als Mitarbeiter für die Krebshilfe gewonnen hatte.

Bei allen Spurensuchen auf den Wegen ihrer ungewöhnlichen, lebensfrohen und unerschrockenen Mutter erfahren wir auch sehr viel über die Autorin und Tochter selber, über Cornelia Scheel.

Nicht nur über ihr Leben in der Bundespräsidentenvilla in Zeiten des RAF-Terrors von 1974 bis zum Deutschen Herbst 1977. Mit Personenschützern auf Schritt und Tritt. Sondern auch mit vielen heiteren Erlebnissen etwa mit dem Hauspersonal - wovon eine junge Angestellte sogar aus der Eifel kam und mit rustikalen Kochkünsten begeisterte.

Wenn Cornelia Scheel mit großer Courage ganz eigene Wege im Leben gefunden hat, nicht zuletzt auch zusammen mit ihrer Partnerin Hella von Sinnen: so leuchtet auch darin viel vom Kämpfertum und dem Eigensinn ihrer Mutter Mildred Scheel auf.

Umso schöner ist es, nun beide in der Eifel begrüßen zu können.

Herzlich willkommen beim 13. Eifel-Literatur-Festival 2018,

herzlich willkommen im Forum Daun:

die Frau, die als Tochter ihrer Mutter, einer Jahrhundertfrau, ein einfühlsames Buch-Denkmal gesetzt hat: Cornelia Scheel.

Und mit Ihr begrüßen wir ihre Partnerin, die bekannte Fernsehmoderatorin, Entertainerin und - sorry - „Ulknudel“ Hella von Sinnen!

Herzlich willkommen!