Festivalarchiv 2006 bis 2018

Einführungsrede zu Klüfel & Kobr in Prüm

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

dass Krimis mit dem Etikett „Regionalkrimi“ boomen, dass er bundesweit
populär werden kann - das wissen gerade wir in der Eifel nur zu gut.
Haben wir doch mit Jacques Berndorf einen Autor, dessen Eifel-Krimis
regelmäßig die Bestsellerlisten erobern von „Spiegel“ und „Stern“, allerdings
die Bestsellerlisten der preisgünstigen Taschenbücher.
Die Krimi-Autoren des heutigen Abends schaffen solche Bestseller-
Erstürmungen sogar auf den Bestsellerlisten für Hardcover-Belletristik, also
für die wesentlich teuereren gebundenen Kriminalromane.
Ob „Milchgeld“, „Erntedank“, „Seegrund“, „Laienspiel“ oder „Rauhnacht“:
100.000 fach werden Klüpfel und Kobr die bislang fünf Kriminalromane um
den knorrigen Allgäu-Kommissar Kluftinger verkauft.
Nicht selten erobert ein Roman direkt die Platz eins der Bestsellerlisten und
stößt mal eben die lange Zeit unangefochtene Spitzenreiter Stephenie Meyer
vom Bestsellerthron - und damit ihre Vampir-Romane „Bis(s) zum Abendrot“
und „Bis(s) zum Ende der Nacht“.
Oder sie schaffen mal eben die längste Verweildauer in den
Bestsellerlisten, so mit „Seegrund“: der dritte Krimi des Duos erschien im
September 2006 und hielt sich, rekordverdächtig, über zehn Monate in den
Bestsellerlisten
Ein Regionalkrimi - mal nicht aus der Eifel, sondern aus dem Allgäu, wobei
die beiden Autoren das Etikett „Regionalkrimi“ gar nicht mögen, vielmehr als
abwertend empfinden.
Allgäu aber doch: da, wo die Welt noch in Ordnung ist. Die Wiesen saftiggrün,
die Kühe glücklich, die Bergkulisse wunderschön...
Memmingen und Kempten, Marktoberdorf, Kaufbeuren und Immenstadt,
Altusried, Wildpoldsried, Ursulasried und Görisried heißen die großen und
kleinen Orte im bayerischen Regierungsbezirk Schwaben, vor allem in den
Landkreisen Oberallgäu und Ostallgäu mit den Königsschlössern
Hohenschwangau und Neuschwanstein.
Für Kriminalkommissar Kluftinger von der Polizeidirektion Kempten
bedeuten diese Allgäu-Flecken die Welt.
Ohne Vornamen und meist auch ohne gute Laune kommt er daher, bärbeißig,
bodenständig und bauernschlau, wortkarg und stur - der Columbo aus
Altusried. Ein liebenswert schrulliger Ermittler, ein Anti-Held in
Kniebundhosen, ein Kässpatzen-Fanatiker, ein Pfennig-Fuchser und
unwilliger Trommler im heimischen Musikverein - eine Kultfigur im deutschen
Krimi.
Immer zur Stelle, wenn die Allgäuer Postkartenidylle blutige Kratzer
bekommt. Etwa durch einen erwürgten Lebensmitteldesigner im Milchwerk
Krugzell. Durch einen toten Mann in einem Waldstück bei Kempten, eine tote
Krähe auf der Brust. Oder durch einen leblosen Taucher in einer riesigen
roten Lache im geheimnisumwitterten Alatsee bei Füssen, eingebettet in die
Allgäuer Alpen.
Passend zum 120. Geburtstag der Krimi-Klassikerin Agatha Christie
können wir heute Abend „Klufti“ als Hercule Poirot erleben, in einem
erzählten Live-Kriminalspiel, aus dem schon bald blutiger Ernst wird. Bei
einem Winterwochenende in einem zugeschneiten Allgäuer Berghotel, das
nicht nur geologisch in Abgründe blicken lässt...
Klufti selber, fürchte ich, hätte ich heute Abend hier nicht begrüßen können.
Er ist kein großer Leser und niemand, der Unsummen in eine Eintrittskarte
investieren würde - fast dreißig mal so viel wie sein Trinkgeld im Luxushotel
in den Allgäuer Alpen.
Enttäuscht, keine Kässpatzn an der Theke erhalten zu haben, würde er
allenfalls brummelnd der Lesung folgen.
Zumal die ja gar nicht eine Lesung vom guten alten Schlag sein soll, sondern
so was Neumodisches wie eine Krimishow zweier Criminal-Comedians, die
erst kürzlich vor einem gutbürgerlichen Berufsleben geflüchtet sind. Die
„Rauhnacht“ als Lachnacht, wie die Neu-Ulmer Zeitung einmal titelte.
Kreuzkruzifix!
Umso mehr heiße ich herzlich willkommen beim 9. Eifel-Literatur-Festival
2010, in der Aula der Wandalbert-Hauptschule zu Prüm: Deutschlands
erfolgreichstes Autorenduo Volker Klüpfel und Michael Kobr und mit Ihnen
dann doch Kriminalkommissar Kluftinger.