Festivalarchiv 2006 bis 2018

Einführungsrede zu Simon Beckett in Monschau

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
dear Mr. Beckett,

life as a morgue, cold, empty, congealed -
das Leben als Leichenschauhaus, kalt, leer, erstarrt.

Wer Thriller von Simon Beckett liest wie „Die Chemie des Todes“ oder „Kalte Asche“ oder „Leichenblässe“: der tritt ein in das Reich des Todes.

Der ist Bakterien und Larven auf der Spur, der sieht dem Leichenschmaus der Organismen zu.
Der sieht brodelnde Verwesung unter der Haut, begleitet von zunehmendem Gestank.
Der interessiert sich für menschliche Aschehaufen, für verkohltes Fleisch und verrußte Puppen, die nichts Menschliches mehr an sich haben.
Der lernt geradezu, Knochen zu lesen oder verwesende Hautfetzen oder Zähne, denen die Geschichte des Lebens wie des Todes eingeschrieben ist.

So ist es schaurig-gruselig und ekelig zugleich, wenn David Hunter auf Mörderjagd geht. Rechtsmediziner ist er und anerkannter „forensischer Anthropologe“.
Also Fachmann zur Identifizierung von Skeletten oder teilskelettierten Leichen. Oftmals die letzte Hoffnung zur Aufklärung eines Verbrechens.

Da führen oft die kleinsten Spuren zum großen Aufklärungserfolg. Da wird Unsichtbares sichtbar, da wird Unverständliches verstehbar gemacht.
Da wird Verdrängtes, Tabuisiertes wie Tod und Verwesung ekelerregend klar beschrieben. Da werden die dunklen Seiten des Lebens ans Licht gezerrt.

Und die Leute, statt vor Maden, Larven und Gestank davonzulaufen: sie rennen dem Autor hinterher, sie reißen ihm millionenfach die Thriller aus der Hand - nicht nur in Deutschland. Sie fiebern mit David Hunter, dem Forensiker voller Sensibilität und Selbstzweifel, der selber tragische Schicksalsschläge verkraften muss und selber immer wieder in Lebensgefahr gerät. Der vom Jäger zuweilen zum Gejagten wird.

Seltsam ist die Lust an Tod und Verwesung, an Grusel und Ekel.
Der Pathologe: er wird da zum Helden unserer Zeit.
Und der Autor: Er wird zum König auf dem Thriller-Thron.
Zum Liebling der Leser, zum Liebling der Leichen.

So groß der internationale Erfolg ist, so lange war der Weg des Simon Beckett zum Thriller-Star.
Nach der Universität Hausmeister, Schlagzeuger, Englischlehrer in Spanien, Schlagzeuger und schließlich Journalist: geradlinig und karriereorientiert war dieser Lebensweg lange nicht.
Und Kindheit und Jugend in einer Arbeiterfamilie in der tristen Stahlindustrie-Stadt Sheffield: das klingt auch nicht gerade märchenhaft.

Was Wunder, dass es Leichen waren, die diesem Autorenleben den Weg gewiesen haben. Genauer: ein Besuch auf der Leichenfarm in Tennessee, wo die Spuren des Todes wissenschaftlich untersucht werden.
Beckett-Leser kennen diese Farm, nicht nur aus dem Thriller „Leichenblässe“. Wo dem Tod noch die letzten Geheimnisse entlockt werden - wie in den Thrillern von Simon Beckett.
Band für Band ein schauriges Memento Mori, eine eindringlich mahnenden Erinnerung an die Sterblichkeit des Menschen. Und an die mörderischen Seiten in ihm.

Beckett-Leser leben auf, wenn sie die Spuren des Todes lesen. Wenn David Hunter den Toten ihre Geschichte entlockt.
Wenn er vordringt in das Reich des Todes, in schaurige Luftschutzbunker, verlassene Spitäler, auf entlegene Inseln oder einsame Dörfer. Wo psychopathische Serienmörder sich aufschwingen wollen zu Herren oder Damen über Leben und Tod.
Das ist es höchste Zeit, den erfolgreichen Schöpfer dieses fiktiven Ermittlers, den britischen Autor dieser international auflagenstarken Thrillergrusel einmal persönlich kennenzulernen.

Eben noch auf der großen Insel, in Sheffield - jetzt bei uns in der Eifel, in Monschau!
Welcome to the 9 th Eifel-Literatur-Festival 2010 (two thousand and ten) in the assembly hall of the saint Michael‘s grammar school in Monschau. Very welcome Simon Beckett!

In seiner Begleitung Andree Hesse, in Braunschweig geboren, in Berlin lebend - der Originalübersetzer der Beckett-Krimis und auch selber Krimi-Autor. „Der Judaslohn“, „Das andere Blut“ oder „Die Schwester im Jenseits“ heißen seine Regionalkrimis aus der niedersächsischen Provinz.
Sein Debüt feierte er 2001 mit dem Roman „Aus welchem Grund auch immer“ - ein Sommermorgen in einer deutschen Großstadt und eine folgenschwere Begegnung an einer einsamen Autobahnraststätte dazu. Unfälle, Zufälle.
Herzlich willkommen in Monschau also auch Andree Hesse!