Festivalarchiv 2006 bis 2018

Erfolgsautor Pater Anselm Grün eröffnet 11. Eifel-Literatur-Festival in Wittlich

10.04.2014

Im ausverkauften „Eventum“ applaudieren über 1400 begeisterte Zuhörer

Mit einem Vortrag des Benediktinerpaters Anselm Grün hat am Mittwoch in Wittlich das 11. Eifel-Literatur-Festival begonnen. In der ausverkauften Veranstaltungshalle „Eventum“ las der 69-jährige Bestseller-Autor vor gut 1400 Gästen aus seinem Buch „Die hohe Kunst des Älterwerdens“.

Pater Anselm Grün in WittlichIn schwarzem Mönchsgewand, mit weißem Bart und strahlendem Lächeln trat Pater Anselm Grün vor das Publikum. Der 69-Jährige, der schon unzählige Bücher und Schriften verfasst hat, der von Lesung zu Lesung reist, der Seminare für Führungskräfte gibt, der als Coach arbeitet und bis zum vergangenen Jahr Geschäftsführer des Benediktinerklosters in Münsterschwarzach bei Würzburg war – er ruht in sich, das kann jeder sehen und spüren. Und etwas von dieser Ruhe und Gelassenheit gab er auch an diesem Abend an sein Publikum weiter.

Dabei ist der Start des Eifel-Literatur-Festivals natürlich eigentlich stets ein aufregender und emotionaler Moment. Zum nunmehr elften Mal hieß es am Mittwochabend in Wittlich „Bühne frei“ für große Autoren. Seit 20 Jahren gibt es das Festival, und jedes Mal wieder begeistert das „Flaggschiff der rheinland-pfälzischen Kultursommers“, wie Kulturministerin Doris Ahnen es bezeichnet hat, die Massen mit einer spannenden Mischung aus Unterhaltung und Philosophie, Spannung und Kontemplation, Humor und Tiefgründigkeit. In diesem Jahr sind es zehn Lesungen, die Besucher aus nah und fern bis Mitte Oktober in die Eifel locken: mit Max Moor, Richard David Precht, dem Krimi-Autorenduo Klüpfel&Kobr, Anne Gesthuysen, Daniel Kehlmann, Florian Illies, Rüdiger Safranski, Ferdinand von Schirach und noch einmal Pater Anselm Grün mit seinem Buch „Herzensruhe“ – im Einklang mit sich selber“ . Denn der Pater und Bestsellerautor ist eine feste Größe beim Festival. Seine Lesungen sind stets als erste ausverkauft, und darum freut sich das Publikum über eine Zusatzveranstaltung.

Dass das Publikum von Anselm Grün berührt wird, zeigte sich auch bei der Auftaktveranstaltung am Mittwochabend. Anselm Grün präsentierte die Kerninhalte aus seinem Buch „Die hohe Kunst des Älterwerdens“ in einem frei gehaltenen Vortrag. Älterwerden – das beschrieb er zunächst im Bild des milden Herbstes mit seinen bunten Farben. Der älter Gewordene kann sein wie ein buntes Herbstblatt, kann sein, wie er ist. Seine größten Aufgaben sind Annehmen, Loslassen – und Frucht Bringen. Frucht Bringen als weiser, milder alter Mensch, der den jungen viel geben kann. Annehmen, das bedeutet, die eigene Lebensgeschichte so zu akzeptieren, wie sie ist, mit Höhen und Tiefen, und in dankbarer Erinnerung im Fotoalbum des Lebens blättern. Loslassen, das bedeutet, Besitz loszulassen, aber auch zu hohe Erwartungen loszulassen, die man an sich und sein Leben hatte. Es bedeutet, Krankheit und Alleinsein zu akzepzieren. Altersdepression ist ein wichtiges Thema, dem Anselm Grün mit viel Verständnis und Liebe begegnet.

Generell spürt man: Die Liebe zum Menschen ist Anselm Grüns Erfolgsgeheimnis. Er predigt keine leeren Worthülsen, er moralisiert nicht, er bindet die Schwächen und Verfehlungen als wichtigen Teil des Lebens mit ein, mit dem man sich versöhnen kann. Mit Gelassenheit, Dankbarkeit, Sanftmut und Liebe als Schlüsseltugenden, mit kleinen Ritualen, die auch und gerade alten Menschen Halt geben. So wie Anselm Grüns Mutter, die jeden Tag gleich begann und ausklingen ließ. Über seine Mutter erzählt Anselm Grün viel, und man merkt, dass die Liebe und Stabilität, die sie ihren Kindern gab, im Wirken des Benediktinerpaters weiterleben.

Anselm Grüns Mutter ist auch ein Bindeglied zur Eifel, denn sie stammte aus Dahlem, aus einfachen, bäuerlichen Verhältnissen. Festivalveranstalter Josef Zierden zeigte sich in seiner Begrüßungsansprache gerade von den im Buch vorkommenden Erzählungen über Anselm Grüns Mutter berührt: Sie habe im Alter eine neue Offenheit und innere Freiheit gegenüber Themen gewonnen, die in ihrer Jugend tabu gewesen seien. „Wie sie Gemeinschaft gefunden hat im Alter, wie wichtig ihr Rituale in der Spiritualität des Alters gewesen sind, wie sie den schmerzlichen Verlust ihrer überwiegenden Sehkraft verarbeitet hat - das flicht Anselm Grün als anschauliche Belege in seine Betrachtungen zur Kunst des Älterwerdens ein“, so Zierden.

Ehrengäste am Eröffnungsabend waren unter anderem Kultur-Staatssekretär Walter Schumacher, der Grußworte von Malu Dreyer und Kulturministerin Doris Ahnen überbrachte,  und die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende Julia Klöckner. Klöckner, die selbst Theologie studiert und ein Buch über den Wein in der Bibel geschrieben hat („Irdischer Wein, himmlischer Genuss“), hatte extra Termine verschoben, um bei Anselm Grüns Vortrag dabeisein zu können. „Ich interessiere mich sehr für seine Arbeit. Und das Eifel-Literatur-Festival finde ich einfach toll. Dass so etwas hier in der Eifel auf die Beine gestellt wurde! Ich werde auch die Lesung von Rüdiger Safranski besuchen“, verriet sie.

Weiter geht das Eifel-Literatur-Festival am 9. Mai mit der Lesung von Richard David Precht in der Stadthalle Bitburg. Precht liest aus seinem Buch „Anna, die Schule und der liebe Gott.“ Festivalchef Josef Zierden rechnet bis zum Herbst mit insgesamt 8.000 bis 10.000 Besuchern. Bereits vor dem Beginn des Festivals waren vier Lesungen ausverkauft. Das 1994 gegründete Festival gibt es alle zwei Jahre. Bisher hat es mehr als 200 literarische Größen in die Eifel gelockt, darunter auch die Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass und Herta Müller. 2012 zog das Literaturfestival gut 15 000 Gäste an - bei 24 Lesungen. In diesem Jahr wurde die Zahl der Veranstaltungen reduziert, weil die Reihe nebenberuflich und ehrenamtlich organisiert wird. Für ihr Engagement waren Festivalleiter Josef Zierden und seine Frau Birgit, beide hauptberuflich als Lehrer tätig,  Ende 2013 mit dem Landesverdienstorden des Landes Rheinland-Pfalz ausgezeichnet worden.

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Extra: Eifel-Literatur-Festival-Interview mit Pater Anselm Grün

ELF: Was bedeutet Ihnen das Eifel-Literatur-Festival?

AG: Die Eifel ist für mich Nach-Hause-Kommen. Meine Mutter stammt ja von Dahlem. Sie wäre sicher ganz stolz darüber, dass ich hier in dem Umfeld Vorträge halte. Ich freue mich, dass die Resonanz beim Publikum so gut ist und dass meine Themen die Menschen ansprechen.

ELF: Wie wichtig ist Ihnen als Benediktinerpater, der ja in innerer Einkehr im Kloster lebt, Ihre Familie?

AG: Sehr wichtig, natürlich, wir sind ja sieben Geschwister. Wir verstehen uns immer noch gut. Wir treffen uns zwar nicht so häufig, nur, wenn Feste sind. Aber ich mache immer eine Woche Urlaub mit den Geschwistern, wir gehen zusammen wandern.

ELF: Wie wollen Sie selbst als Bestseller-Autor, als Vortragender mit 200 Auftritten pro Jahr und als Seminarleiter im Alter kürzer treten?

AG: Ab 2015 werde ich weniger Vorträge halten, nur noch einen in der Woche. Meine Kurse und Einzelbegleitungen mache ich aber weiter. Und die Auslandstermine auch. Ich habe das Reisen sehr gern, ich finde es sehr reizvoll, nach Argentinien, Malaysia oder auch Brasilien zu reisen. Ich kann nicht nichts machen.

ELF: Sie sind jetzt 69. Haben Sie selbst schon Knackpunkte des Alters erlebt?

AG: Die Gesundheit! Vor zwei Jahren musste eine Niere herausgenommen werden. Da merkte ich: die Gesundheit ist nicht garantiert. Man kann nicht darauf setzen, es kann schnell etwas sein. Sonst bin ich aber fit, ich kann immer noch gut arbeiten.

ELF: Ab wann ist man alt genug und reif genug für Ihr Buch „Die hohe Kunst des Älterwerdens“?

AG: Unter 60 muss man es nicht unbedingt lesen, aber danach muss man sich schon mit dem Alter auseinandersetzen. Heute fühlen sich die meisten 70-Jährigen nicht alt. Aber die Themen kommen trotzdem.

ELF: Sie begleiten viele Hilfesuchende mit Ihren Ratschlägen. Haben sich die Dinge, die die Menschen beschäftigen, in all der Zeit verändert?

AG: Vielen Leuten geht es heute schlecht, weil sie zu große Bilder von sich im Kopf haben. Die Realität stimmt mit diesen Bildern aber nicht über ein. Viele haben auch Beziehungsprobleme, nicht nur Partner, sondern auch Eltern und Kinder. Dann gibt es viele einsame Menschen. Und es gibt viele, die Angst haben, ihre finanzielle Sicherheit zu verlieren oder Pflegefälle zu werden. Die Menschen sind einfach nicht mehr wie früher in eine Großfamilie eingebunden.

ELF: In ihrem Schlusswort in „Die hohe Kunst des Älterwerdens“ schreiben Sie, dass sie selbst nicht wüssten, was sie machen würden, wenn der Erfolg ausbliebe. Dass sie diese Worte geschrieben haben, ist nun sieben Jahre her. Wüssten Sie es heute?

AG: Ich würde spüren: Die Zeit für Vorträge ist vorbei. Ich würde mehr schreiben. Aufhören, nachzudenken, was das Geheimnis des Lebens ist, werde ich nie. Aber ich muss dann ja nicht mehr alles, was ich denke, nach außen bringen.

ELF: Woran arbeiten Sie derzeit?

AG: Es sind zwei Bücher. Ein Geschenkbuch: „Du wirst geliebt“. Und ein Buch, das eher junge Leute ansprechen soll: „Versäume dein Leben nicht“. Die jungen Leute sollen nicht vor lauter Absicherung und Planung und Ausbildung vergessen, zu leben.