Festivalarchiv 2006 bis 2018

Schreiben ist nicht nur Musenkuss. NACHBERICHT zu Nele Neuhaus, 15.4.

16.04.2016

Nele NeuhausKrimi-Bestsellerautorin Nele Neuhaus sorgt für gelungenen Start des Eifel-Literatur-Festivals und persönliche Einblicke ins Schriftstellerdasein

Mit einem Ansturm von 800 Besuchern, dem Auftritt einer Auflagen-Königin des deutschen Krimis und launiger Stimmung ist das 12. Eifel-Literatur-Festival gestartet. Den rundherum gelungenen Auftakt in Bitburg gestaltete Bestsellerautorin Nele Neuhaus mit einer Lesung aus ihrem siebten Taunuskrimi „Die Lebenden und die Toten“. Sie begeisterte das Publikum mit Kurzweil, Humor und ihrer gewinnend natürlichen Art.

Bitburg. Einen besseren Start des 12. Eifel-Literatur-Festivals hätte sich dessen kreativer Kopf und Organisator, Josef Zierden, nicht wünschen können. Die Bitburger Stadthalle ist ausverkauft und Autorin Nele Neuhaus schon lange vor ihrem Bühnenauftritt für persönliche Begegnungen am Signiertisch präsent. Das Medienaufgebot - mit Liveschaltungen ins Fernsehen - ist hoch, ebenso die Anzahl an prominenten Gästen und Förderern aus Politik und Wirtschaft. Allenfalls ein kleines Tüpfelchen auf dem „i“ fehlt, die schon zur Festivaltradition gehörende spritzige Begrüßungsrede von Kultur-Staatssekretär Walter Schumacher. Ihn hat das politische Tagesgeschäft in Mainz festgehalten, was er per SMS mit vielsagendem „grrrr“ kommentiert.

Doch auch ohne ihn fliegen zum Einstieg die vergnüglichen Bonmots: Inspiriert vom Kontrast zwischen hell ausgeleuchteter Bühne und dunklem Zuschauerraum findet Landrat Joachim Streit für das Festival im Allgemeinen, wie auch den bevorstehenden Auftritt von „Lichtgestalt Nele Neuhaus“ im Besonderen, das Bild der Sonnenuhr und philosophiert: „Die Grenze des Schattens ist der Beginn des Lichts“. Josef Zierden, der nach ihm von der Bühne blickt, kontert: „Ich habe nicht das Gefühl, in die Dunkelheit zu gucken, weil ich von lauter hellen Köpfen umgeben bin, den Lesern“.

Als dann die Autorin selbst ins Rampenlicht und zu Wort kommt, hat auch sie Pointiertes beizutragen: Sie habe schon 790 Zuhörer weniger gehabt als an diesem Abend. Das, so erfährt das Publikum war vor zehn Jahren, am Anfang ihrer Schriftstellerkarriere. Damals schrieb sie noch neben einer Berufstätigkeit in der Fleischwarenfabrik ihres Ehemannes, erarbeitete sich mühsam das Handwerkszeug und ließ ihre Werke in Mini-Stückzahlen auf eigene Kosten drucken. Inzwischen ist Nele Neuhaus mit in 31 Sprachen übersetzten und in Auflagen von rund sechs Millionen Exemplaren erschienenen Büchern die derzeit erfolgreichste deutsche Krimiautorin. Das ist ihr aber offensichtlich nicht zu Kopf gestiegen. Ganz lässig, in Jeans und Strickjacke gekleidet, völlig ohne Allüren, frisch und unkompliziert präsentiert sie sich in Bitburg als Mensch wie Du und Ich. Sie schlägt einen lockeren, humorvollen Plauderton an und setzt alles daran, ihren Fans zu geben, was sie sich wünschen, die persönliche, lebendige Begegnung mit der Person hinter den Mord-Geschichten.

Berühmt gemacht haben Neuhaus ihre im Taunus angesiedelten Krimis um das Ermittlerteam Pia Kirchhoff und Oliver Bodenstein. Sie tragen Titel wie „Schneewittchen muss sterben“, „Wer Wind sät“ oder „Böser Wolf“ und wurden vom ZDF verfilmt. Den neuesten, „Die Lebenden und die Toten“ hat sie nach Bitburg mitgebracht. Es geht darin um einen Heckenschützen, der scheinbar wahllos völlig unbescholtene Frauen erschießt und die Ermittler vor ein ungeheures Rätsel stellt. Die Autorin beschränkt sich mit dem Hinweis: „Lesen können Sie selber“, jedoch auf den Vortrag weniger Textkostproben. Vielmehr erzählt sie aus dem Nähkästchen ihres Schriftstellerdaseins.

So erfahren die Zuhörer, dass Jacques Berndorf und seine Eifelkrimis Neuhaus angeregt haben, regionale und damit authentischer zu beschreibende Schauplätze zu wählen. Sie erfahren, wie spannend eine Ortsrecherche sein kann, wenn man auf das Baugerüst eines Hochhauses klettern oder ein rechtsmedizinisches Institut besuchen muss. Und sie können herzhaft lachen, wenn die Autorin Fallstricke ungenauer Nachforschungen oder amüsante eigene Erlebnisse schildert, die in ihre Texte eingeflossen sind.

Im Gespräch mit Josef Zierden wird das sympathische Bild noch abgerundet. Hier erzählt Neuhaus, dass ihr Urgroßvater ein Elektrogeschäft Ecke Simeonstraße /Margaretengässchen in Trier besaß, dass ihr Vater dort geboren wurde, aufwuchs und das Trierer Friedrich-Wilhelm-Gymnasium besuchte. Sie beantwortet die Frage danach, wie ein netter Mensch wie sie so brutale Geschichten schreiben kann, mit einer ausschweifenden Fantasie. Und sie steht zum Kritikervorwurf, sie schreibe „Fastfood- Bücher“: „Ich liebe Fastfood und kann keine Literatur, aber kurzweilige Unterhaltung bieten“, sagt sie. Das Publikum gibt ihr mit donnerndem Applaus Recht. Schließlich hat sie es ja eben wieder bewiesen, und das womöglich nicht zum letzten Mal in der Eifel. Gerne will sie wieder zum Festival kommen, verspricht sie Josef Zierden und ihren Fans. AE

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