Festivalarchiv 2006 bis 2018

Rückblick: Thilo Sarrazin in der Eifel, in Prüm - „Der Islam muss sich ändern!“

11.05.2012

Thilo Sarrazin in PrümPRÜM. Thilo Sarrazin kam am 10. Mai nach Prüm, seine Gegner kamen nicht. Jedenfalls war nach monatelangem Sperrfeuer mit abgedroschenen Politphrasen von ihnen nichts zu sehen oder zu hören. Umso mehr beklatschte die Mehrzahl der 700 Besucher immer wieder kritische Äußerungen Sarrazins über Politiker, Medien und Wissenschaftler.

Das Vorwort zur neuen Paperback-Ausgabe des kontrovers diskutierten Mega-Bestsellers „Deutschland schafft sich ab“ war der Leitfaden für Sarrazins 90 minütigen Vortrag. An Politikerschelte fehlte es nicht: für Bundeskanzlerin Merkel, die sein Buch verurteilt hatte, ohne es gelesen zu haben. Oder gegen den SPD-Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel, der mit dem geplanten Parteiausschluss von SPD-Mann Sarrazin Schiffbruch erlitten hatte. Am Sachverstand von Ex-Bundespräsident Wulff und dessen Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ zweifelte Sarrazin sehr.

Sich gegen falsche Zitate, Behauptungen und Interpretationen zu wehren, nahm viel Raum ein an diesem Abend in der Eifel. So habe er niemals behauptet, Muslime seien genetisch dümmer als andere Bürger. Auch an der Presse und ihrer in seinen Augen vielfach tendenziösen Berichterstattung zum Buch ließ er kein gutes Haar. So habe die "Süddeutsche Zeitung" einen Bericht zu einer Lesung veröffentlicht, die der Redakteur sich aus dem Internet zusammengefitschelt hatte. Die Lesung habe der erst gar nicht besucht.

Ganz entschieden forderte Sarrazin eine Wandlung des Islams, der erst noch eine  Aufklärung durchlaufen und im säkularen Rechtsstaat ankommen müssen. Das hatte auch die renommierte Schriftstellerin Monika Maron am Dienstagabend in Bitburg gefordet, gerade mit Blick auf die Diskriminierung der Frau. Ebenso hatte Heiner Geißler in Wittlich das Diktat des fundamentalistischen Islamismus gegeißelt.

Als Problembereiche nannte Sarrazin, vor dem Hintergrund seiner Berliner Erfahrungen vor allem in Neukölln,  „Parallelgesellschaften“ und „Diskriminierung der Frau“. Der störungsfreie Verlauf des Abends erlaubte noch etliche Fragen an Sarrazin. Die waren aufgrund der Bedrohungslage auf vorbereiteten Fragezetteln vor der Veranstaltung notiert und eingereicht worden. Eine Auswahl querbeet, von zustimmend bis kritisch, wurde vom Veranstalter auf der Bühne an Sarrazin vorgetragen. Dass aus Zeitgründen nicht alle der mehr als 30 Fragen gestellt und beantwortet werden konnten, verstand sich von selber. Etliche der eingereichten Fragen hatten sich schon mit dem Vortrag beantwortet. In Erfurt am Vorabend hatte die reine Lesung bis 22 Uhr gedauert, es waren keine Fragen gefolgt. 

Ganz anders in Prüm - wesentliche gestellte Publikums-Fragen waren: 

Warum sind Sie immer noch in der falschen Partei, der SPD? - Warum gründen Sie keine eigene Partei? - Warum sprechen Sie pauschal von „den“ Hartz-IV-Empfängern, „den“ Moslems, „der“ Unterschicht? Auch bei diesen Personenkreisen sollte man differenzieren wie bei "den" Reichen, "den" Politikern. - Wieso haben Sie eigentlich so viel Angst vor der Vorstellung, dass es irgendwann keine "Deutschen" und "Franzosen" und "Luxemburger" mehr gebe, sondern nur noch interkulturell interessierte Menschen, die sich eine gemeinsame Welt teilen? Könnte dies nicht auf ein Gewinn für alle sein? - Was halten Sie von den Thesen der Berliner Wissenschaftlerin Naika Foroutan, die von den „Grünen“ zu einer Informationsveranstaltung in Prüm eingeladen worden war? - Ihr Buch hat wohl die gewünschte gesellschaftliche Diskussion ausgelöst und neben heftiger Kritik viel Zustimmung erhalten. Die Diskussion ist langsam abgeebbt. Glauben Sie, dass Ihr Buch irgendeine bedeutende politische oder gar demographische Änderung hervorgerufen hat oder noch hervorrufen wird? - Auf die Frage: „Würden Sie Ihr Buch nach aller Kritik heute genau so wieder schreiben?“ antwortete Sarrazin abschließend sehr klar: „Ja, aber nur noch etwas schärfer!“ Dass es keinen offenen "Schlagabtausch" am Mikro gab, war der Sicherheitslage geschuldet. Immerhin sollte die Veranstaltung ja nach dem Willen vor allem von Linken um jeden Preis verhindert werden, man hatte im Internet gesteckt, 27 Antifaleute würden eingeschmuggelt. Eine Ente, kein Antifa-Aktivist ließ sich auch nur blicken in Prüm. Immerhin: Die Veranstaltung in Erfurt am Vorabend musste immer wieder wegen Störsendern unterbrochen werden. 

Aber selbst das Schlussbild der Veranstaltung in Prüm gestaltete sich friedlich, freundlich und geordnet:  Die große Signierschlange formierte sich störungsfrei und rundete das Bild der Veranstaltung ab. Denn mit einer großen Warteschlange vor dem Haupteingang hatte der Abend begonnen. Organisator Josef Zierden dankte angesichts der aufwendigen Sicherheitsmaßnahmen den Besuchern für ihr Verständnis und den vielen Sicherheitsbeamten für ihre Arbeit. Er zitierte in seiner Einführungsrede aktuelle Festivalgäste 2012 wie Heiner Geißler und Monika Maron und ihre differenzierte Islamkritik. Maron hatte Wulffs berühmt gewordenen Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ kritisch zerpflückt. Darüber hinaus skizzierte Zierden,  mit welchen perfiden Methoden Antifa und Linke vor allem aus der Nordeifel das Festival und das Bemühen um Meinungsfreiheit bekämpft hatten. 700 Besucher in der seit Wochen ausverkauften Aula der Ex-Hauptschule hatten auf das Verbots- und Boykottgeschrei alleine schon mit ihrer Präsenz  eine eindrucksvolle Antwort gegeben. Erst recht mit dem konzentrieren Zuhören und immer neu mit starkem Beifall. Von wegen: "Stell Dir vor, Sarrazin kommt - und keiner geht hin!" Mehr als 700 Besucher fasst die Aula leider nicht, die Warteliste nach "ausverkauft" war sehr groß. 

Weiterführende Links:

Pressezitate:

"Thilo Sarrazin wollte wohl auf Nummer Sicher gehen, bei der Lesung im Rahmen des „Eifel Literatur-Festivals“, und reiste mit großem Sicherheitsaufgebot im Gepäck an. Dabei belief sich die Zahl der Demonstranten auf ganze drei." (Gemeint sind die Jusos-Eifel)

"Es gelang Sarrazin in Prüm offenbar, den Nerv des Publikums zu treffen, denn über mangelnden Beifall brauchte er sich nicht zu beklagen." (Alle aus: Kölnische  Rundschau Gemünd, online 12. Mai) 

 

Publikumsstimmen

Anneliese Lauscher per e-mail an den Veranstalter: Lieber Herr Dr. Zierden, wir möchten uns bedanken für den gestrigen Abend, für die Lesung mit Thilo Sarrazin. Es war erschütternd, zu hören, wie die Medien mit diesem mutigen Mann umgegangen sind. Wir danken Ihnen für Ihren Mut, dem freien Wort Raum zu geben. Bitte, bleiben Sie uns erhalten! Wir werden gerne wieder zum Eifel-Literatur-Festival kommen - aus Monschau-Höfen und aus Nideggen-Schmidt!
Herzliche Grüße      (11. Mai) 

Via Facebook: Gunnar Witzmann gratuliert zu dieser gelungenen Veranstaltung. Aber weshalb haben die Gegner, die den Auftritt von Sarrazin sabotieren wollten, sich nicht der Diskussion gestellt? (11. Mai) 

Armin Haas via e-mail: Ich besuchte mit meiner Mutter am Donnerstag Abend das Eifel-Literatur-Festival mit Thilo Sarrazin und war sehr angetan von der Organisation und dem Ablauf der Veranstaltung. Danke nochmals und großes Kompliment. (11. Mai) 

Simone Conen via Facebook: Eine tolle Veranstaltung vor fairem Publikum. Freie Meinungsäußerung ist die Basis der Demokratie und darf weder von rechts noch von links beschränkt werden. Umso mehr Hut ab vor Veranstaltern und Sponsoren, so "mutig" hinter dem breit gefächerten Autorenspektrum des diesjährigen Literaturfestivals zu stehen. (12. Mai) 

Dorothée Valenta per e-mail an den Veranstalter: Guten Morgen, Herr Zierden, ich bin gerade auf dem Sprung an die Ostsee, ich stamme von dort, und möchte mich vorher nochmal herzlich für Ihre mutige Organisation, die souveräne und straffe Moderation und insgesamt für den sehr gelungenen Abend bedanken.
Ich hätte noch gerne Vieles mehr besprochen, bin aber sehr froh, Thilo Sarrazin überhaupt mal wieder getroffen zu haben.
Die Kritik ist so, wie ich sie erwartet habe. Wir sind halt von vielen kleinen Wichten umgeben, aber gerade das spornt uns ja tgl. an. Ich war da, und da schäme ich mich jetzt richtig, überhaupt das erste Mal bei Ihrem Festival. Es macht aber Lust auf mehr. Ich wünsche Ihnen weiterhin viele gute Kontakte, Gesundheit, Ideen und Unabhängigkeit im Geist.
Herzlichst Dorothée Valenta, Trier   (12. Mai)

Wie sich die Urteile gleichen - zum neuen Sarrazin-Buch "Europa braucht den Euro nicht":

"Kirmes des Anti-Pluralismus" 

"Staatsfeind Nummer eins? Die Reaktionen auf Thilo Sarrazins neues Buch sind eine Kirmes des Anti-Pluralismus. Wir argumentieren nicht mehr, wir hassen einfach":

"Ein Buch, das man nicht gelesen hat, einfach kollektiv zu hassen, das ist eine Kirmes des Anti-Pluralismus und der Anti-Aufklärung und so offenkundig verlogen, dass man sich fragt, in was für einem smarten Gesinnungs-Staat wir eigentlich leben. Aber woher kommt diese so ignorante wie militante Aversion? Sehr einfach: Sarrazin delegitimiert ein ganzes politisch-mediales Kartell. Sarrazins Auflagenzahlen, die man leicht als politische Statements der Käufer werten kann, bedrohen dessen Anspruch, Deutschland allein zu repräsentieren. Niemand hat die Kluft zwischen veröffentlichter und öffentlicher Meinung so empfindlich bloßgelegt wie der Ex-Bundesbanker. (...) Die Wut auf Sarrazin kommt aus der Unsicherheit von Politikern und Meinungsmachern, die selber wissen, was schiefläuft in der Europapolitik, in der Finanzpolitik, in der Einwanderungspolitik, die es aber lieber unter den Teppich kehren möchten. Sarrazins Bücher treffen auf ein politisches Herrschaftsmilieu, das sich entschlossen hat, seine Politik als alternativlos darzustellen und das keinerlei Opposition mehr gewöhnt ist." (Focus Nr. 22, 26. Mai 2012)