Festivalarchiv 2006 bis 2018

Mit Literatur die Realität überwinden. NACHBERICHT zu Felicitas Hoppe, 3.5.2016

04.05.2016

Felicitas Hoppe sorgt beim Eifel-Literatur-Festival für einen Abend voll Fantasie und Humor

Felicitas Hoppe hat mit einer Lesung aus ihrem Roman „Hoppe“ knapp 300 Besucher des Eifel-Literatur-Festivals im Bitburger Haus Beda begeistert. Die Trägerin des Büchner-Preises, der bedeutendsten Literaturauszeichnung im deutschen Sprachraum, fesselte ihr Publikum mit dem Reichtum ihrer Fantasie, lebendiger, humorvoller Erzählweise und vielschichtigen persönlichen Einblicken.

Felicitas HoppeBitburg. Zum ersten Mal ist Felicitas Hoppe Gast beim Eifel-Literatur-Festival, und das gleich mit einem Werk, das vor allem Kritiker eine große Nuss zu knacken gab. Welche Bezeichnung, welches Etikett ist angemessen für ein Buch, das „Hoppe“ heißt, von Hoppe geschrieben ist und von einem Leben Hoppes erzählt, das sie so gar nicht geführt hat? Traumbiografie? Parodie? Fantastische Fabuliererei? Nichts von alledem, stellt die Autorin klar, noch bevor sie zu lesen beginnt.

Mit erfrischend spitzbübischem Charme erzählt sie von der Entstehung des Buches, für das sie die Bezeichnung „Roman“ bevorzugt. Sie sei damals Anfang 50 gewesen, und habe zu hören bekommen, es sei eine Vermessenheit, in diesem Alter eine Autobiografie verfassen zu wollen. Das könne sich nur erlauben, wer sehr alt oder sehr berühmt sei. Bei ihr sei weder das eine noch das andere zugetroffen, aber sie habe etwas über sich erfahren wollen. Und das gelinge nun einmal am besten durch Erzählen über sich selbst. In Ich-Form habe das allerdings nicht geklappt. Denn das Erzählte habe sich ständig verändert: „Man möchte ja Dinge ins rechte Licht rücken“. Deshalb habe sie beschlossen, vom Ich abzurücken, die Rolle der eigenen Biografin einzunehmen und sich auch gleich ein Wunschleben anzudichten.

Darin wächst Felicitas Hoppe nicht als eins von fünf Kindern einer Familie in der Rattenfänger-Stadt Hameln auf, sondern als einzige Tochter eines alleinstehenden Erfinders in Kanada. Ebendahin entführt sie ihre Zuhörer in der ersten Lese-Kostprobe. Lebendig, fantasievoll und mit einer feinen, köstlichen Ironie schildert sie, wie die sechsjährige Felicitas dort eine Art Pippi-Langstrumpf-Leben führt, das im Wesentlichen von der Abwesenheit des Vaters, sonntäglichen Erfindungen und der großen Liebe zum Eishockey- Star Wayne Gretzky geprägt ist. In die Fiktion webt sie immer wieder Fäden ihrer echten Biografie. Zum Beispiel taucht ihre echte Familie in Hameln als Adressatin für Briefe der Roman-Hoppe auf.

Dass ausgerechnet Kanada Kindheits-Schauplatz der Hoppe-Figur ist, erklärt die Autorin zum Amüsement der Besucher mit einer Neudeutung der Sage um den Rattenfänger. Der habe die Hamelner Kinder durch einen Berg geführt, an dessen Rückseite sie dann in Kanada eingetroffen wären. So wie diese Anekdote verdeutlichen auch weitere Lesepassagen anschaulich, wie sich bei Felicitas Hoppe Fantasie und Realität verflechten. Sie selbst sagt dazu: „Für mich ist alles gespeist aus der Welt, mit der ich täglich zu tun habe. Es gibt für mich keine Trennung zwischen Literatur und Wirklichkeit und keine Innen- ohne Außenwelt.“ Genau dieses Spiel um verschiedene Ebenen und Wahrnehmungen macht den Abend mit ihr spannend und schillernd. Zudem erfüllt er bestmöglich den Sinn von Autorenlesung, einen ganz persönlichen Zugang zum Wesen der Literatin zu bekommen.

Sehr offen, sehr sympathisch, sehr klar gibt die 56jährige Auskunft über sich, ihre Gefühls- und Gedankenwelt. Wer jemals Kritikern aufgesessen sein sollte, die Hoppes Werk als Ausgeburt von Gegenwartsflucht interpretiert haben, wird eines besseren belehrt.

Am Ende von Hoppes Lesung muss ihr Roman „Hoppe“ einfach als gelungenes Selbstporträt verstanden werden, gerade weil es sich des originellen Mittels der fantasievollen Distanz bedient. Die Autorin selbst bringt es auf den Punkt: „Man kommt näher an sich heran, wenn man ein Stück weit weg geht“. Nah gekommen ist sie hingegen der Eifel, hierhin möchte sie gerne zurückkommen, mit Wanderkarte und einem Rucksack, in dem sie dann sicher ein weiteres Fantasie-Bündel verschnürt. ae

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