Festivalarchiv 2006 bis 2018

Den Reichtum des eigenen Selbst entdecken. NACHBERICHT zu Pater Anselm Grün, 21.4.

22.04.2016

Pater Anselm Grün

Pater Anselm Grün spricht beim Eifel-Literatur-Festival 700 Menschen aus der Seele

Nach einem furiosen Start mit Krimiautorin Nele Neuhaus hat das 12. Eifel-Literatur-Festival erneut einen Gast mit enormer Zugkraft präsentiert. Pater Anselm Grün, der meistgelesene spirituelle Autor unserer Zeit, lockte 700 Menschen nach Prüm. Mit einem aus Religion, Philosophie und Poesie gespeisten Vortrag zum Thema „Was der Seele gut tut“ führte er sie auf eine Reise in ihr inneres Selbst.

Prüm. Genau vor zehn Jahren war Pater Anselm Grün in Prüm zum ersten Mal Gast des Eifel-Literatur-Festivals. Seither sorgt er bei jeder neuen Ausgabe für Besucherrekorde, so auch bei der ersten seiner zwei Lesungen des aktuellen 12. Festivals. 700 Zuhörer waren unter anderem aus Hamburg, aus Bayern, aus Nordrhein-Westfalen, den Niederlanden oder Belgien angereist. Und noch 200 mehr wären gerne gekommen, mussten sich aber mit einem Platz auf der Warteliste begnügen.

Ein Grund für die große Anziehungskraft des 71jährigen Benediktiner-Paters ist, dass er stets Themen anspricht, die für Menschen von elementarer Bedeutung sind. In knapp 400 Büchern, die in Millionenauflagen und international erschienenen sind, äußert er sich zur Liebe, zur Trauer, zum Altern, zu Glück oder Spiritualität und gibt damit Impulse für eine Lebensgestaltung im Einklang mit der eigenen Seele und dem Universum. Sein Thema in Prüm heißt: „Was der Seele gut tut“. Das ist auch der Titel seines aktuellen Buchs, aber Anselm Grün liest nicht vor, sondern spricht seine Zuhörer in freier Rede direkt an.

Paetr Anselm GrünZunächst führt er ihnen im Hinblick auf das Ziel seelischer Entwicklung den Unterschied zwischen Veränderung und Verwandlung vor Augen: „Verändern heißt, ein anderer werden zu wollen, darin liegt aggressive Kraft. Verwandlung hingegen zielt darauf, ich selbst zu werden, das einmalige Bild, das Gott von mir gemacht hat“. Diesem ihrem inneren Selbst nahe zu kommen falle vielen Menschen schwer, da sie sich von falschen Selbst- und Fremd-Bildern bestimmen ließen. Zufriedenheit erlange nur, wer sich auch mit der eigenen Unvollkommenheit annehme. Und ins Stocken geratene Lebensenergie lasse sich wieder zum Fließen bringen, indem verschüttete positive Kräfte, zum Beispiel schöne Bilder aus der Kindheit, wieder wach gerufen würden. Dabei seien Rituale ein heilsames Mittel, denn sie böten Heimat und Halt. Dazu gibt der Pater einen Einblick in die These des Psychologen C.G. Jung, dass die Rituale im Kirchenjahr ein therapeutisches System seien.

Jung ist nicht der einzige, den er an diesem Abend zitiert. Seine weiteren Ausführungen, zum Beispiel über die reinigende Kraft der Stille oder die belebende Macht von Liebe und Freundschaft, spickt er mit Weisheiten klassischer Philosophen oder Zitaten bedeutender Dichter und Denker. Auch erläutert er, wie Sprache die Erfahrung von Menschen archiviert hat, zum Beispiel im Wort Schönheit, das er von „schauen“ ableitet. „Jeder Mensch ist schön, wenn er einen liebevoll anschaut“, sagt er und erklärt, dass im Erkennen von Schönheit Einklang, ja das Geheimnis Gottes zu erspüren sei. Spätestens hier hat der Pater, den ohnehin eine geistliche Aura umstrahlt, sein Publikum in spirituelle Versunkenheit geführt. Und wenn auch nicht jede seiner Erkenntnisse und Gedankengänge bewusst umzusetzen ist, so bleibt doch das Gefühl, eine meditative Auszeit vom Alltag genossen zu haben. Sie endet mit einem gemeinsamen Gebet und viel begeistertem Applaus. (AE) 

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