Festivalarchiv 2006 bis 2018

Beobachter, Fantast, begnadeter Erzähler, NACHBERICHT Horst Evers, 11. Mai

12.05.2016

Horst Evers in PrümKabarettist Horst Evers und sein skurriler Humor begeistern 500 Besucher beim Eifel-Literatur-Festival in Prüm

Der gebürtige Niedersachse und Wahlberliner Horst Evers hat beim Eifel-Literatur-Festival in Prüm für einen abwechslungsreichen, urkomischen Abend und eine Premiere gesorgt. Nach Lesepassagen aus seinem Science Fiction Roman „Alles außer irdisch“ und kabarettistischen Glanzstücken aus pointierten, schräghumorigen Alltagsgeschichten flogen ihm, als erstem Autor in 22 Festivaljahren, frenetische Zugaben-Wünsche entgegen.

Außer seinem Markenzeichen, dem roten Hemd, ist äußerlich kaum etwas Auffallendes an Horst Evers, allerhöchstens vielleicht noch der leicht verschmitzte Blick. Doch wenn er den Mund aufmacht und zu erzählen beginnt, entpuppt sich der Durchschnittstyp plötzlich als einer, der es faustdick hinter den Ohren hat. Scheinbar ganz harmlos schleichen sich seine Geschichten an, um dann in ein Feuerwerk schräger Einfälle, origineller Fantastereien und urkomischer Pointen zu münden. Basis dafür ist eine scharfe Beobachtungsgabe und die Gabe, Alltägliches in überspitzte sprachliche Bilder zu übersetzen.

Evers, der seinen Künstlernamen schelmisch aus den Bestandteilen des Ortsnamens Evershorst nahe seiner Geburtsstadt Diepholz geformt hat, ist eine Art moderner Eulenspiegel oder auch neuzeitlicher Heinz Erhardt mit Zügen anarchischen Humors. Originell wie kaum ein anderer hält er unserer Gesellschaft den Spiegel vor. Seine Themen bezieht er aus seinem unmittelbaren Umfeld, so auch das seines aktuellen Romans „Alles außer irdisch“. Hier hat der Wahlberliner Evers den Hauptstadtflughafen zum Dreh- und Angelpunkt eines Science Fiction gemacht. Ein anderes Genre, erklärt er, sei schon wegen des Ausgangsszenariums, der Flughafen-Eröffnung, nicht infrage gekommen. Aber wann der Roman spiele, könne er eben wegen jenes Szenariums auf ein Jahrzehnt genau nicht bestimmen. Mit diesen Frotzeleien hat Evers schon die Lacher auf seiner Seite, da läuft er sich aber gerade erst warm.

Wenig später liefert er ein kabarettistisches Glanzstück, indem er mit trockenem Spott über das Bauen in Berlin fabuliert. Da greift er den Vorschlag der Berliner CDU für einen Flughafen-Neubau auf und regt an, doch erst einmal mit einem einfacheren Projekt zu beginnen, beispielsweise einer Brücke, „einfach, weil wir das können“. Vernünftig und zudem vorausschauend sei, sie ins flache Land zu setzen, das sei nicht gefährlich. „Und wenn der Fluss dann kommt, ist die Brücke schon da“.

Während sich das Publikum noch vor Lachen schüttelt und die Bäuche hält, liefert Evers eine Kostprobe aus seinem Roman. Nicht minder komisch aber auch mit einer gerüttelten Portion Weisheit und Philosophie verpackt er da den Irrsinn des menschlichen Zusammenlebens in eine exotische und dennoch irgendwie vertraute Geschichte. Da erobert die hoch entwickelte Zivilisation der Cyanen die Welt online und kontrolliert die Kapitalmärkte, aber die Menschen bekommen es nicht mit. Die zerfleischen sich lieber gegenseitig, bis es den Cyanen reicht und sie die Erde wieder loswerden wollen. Gegen den Verkauf an die Schorfen, ein intergalaktisches Kriegervolk, wehrt sich ein Grüppchen Artenschützer. Mit einem ramponierten Raumschiff, das mit Herz und Schnauze wie ein Berliner Busfahrer redet, wollen sie zum intergalaktischen Verbrauchergerichtshof reisen und Klage einlegen.

Evers bevölkert seinen Roman mit skurrilsten Gestalten und Begebenheiten. Die schräge Fantasterei bildet aber nur den Rahmen für manche Erkenntnis, die zum Nachdenken anregt, zum Beispiel: „Anarchie kann nur funktionieren, wenn sich alle an die Regeln halten“. Das gilt auch für ihn selbst. Sein Humor ist zuweilen anarchisch. In einer Kurzgeschichte beschreibt er, wie er einer Frau Emails zukommen lässt, deren Absender er als ihre Zimmerpflanze angibt. Nachdem er ihr auch noch erklärt, die Pflanze sei ein getarntes Abhör-Projekt des amerikanischen Geheimdienstes, landet die Pflanze auf der Straße, wo Evers sie dann mitnimmt, um sie zu verschenken.

So abgefahren dieser Humor ist, folgt er doch einer Regel, nie verletzend gegenüber Dritten zu sein, sondern lieber sich selbst ironisch aufs Korn zu nehmen. Horst Evers erobert mit dieser seiner originellen und individuellen Art die Herzen der Festivalbesucher im Sturm und wird frenetisch gefeiert. (Anke Emmerling) 

Weitere Links: